ein blutgieriger tiger
verkleidete sich auf der jagd nach menschen in haut und gewand eines jungen mädchens. weinend stellte es sich an eine strasse und war so schön, dass ein gelehrter des weges daherkam. sie belog ihn schlau, und er nahm sie aus mitleid zu sich ins haus, als eine seiner vielen frauen. er war sehr mutig und schlief am liebsten bei ihr. eines nachts warf sie die mädchenhaut ab und zerriss ihm die brust. sie frass sein herz und verschwand durchs fenster, die strahlende haut liess sie auf dem boden zurück. beides fand eine der früheren frauen und schrie sich die kehle nach einem lebenszauber wund. bis zum mächtigsten manne der gegend sank sie, einem irren, der im kote des marktplatzes hauste, und wälzte sich lange zu seinen füssen. da spuckte der irre vor allen menschen in ihre hand, und sie musste es schlucken. sie weinte und härmte sich viele tage, denn sie liebte den toten auch ohne herz. aus der schande, die sie für ihn geschluckt, erwuchs auf dem warmen boden ihrer brust ein neues her. das gab sie dem manne ein und er kam wieder zu ihr.
altes china | "die blendung" canetti
altes china | "die blendung" canetti